„Linksextremismus“-Vorwurf? Extrem unangebracht.

Position der Naturfreundejugend im Jugendhilfeausschuss Bremen, am 17.06.2021

Was ist passiert?

Unter dem Titel „Sozialsenatorin finanziert linksextreme Strukturen“ veröffentlichte die CDU Bremen vergangene Woche eine Pressemitteilung, in der ihre jugendpolitische Sprecherin mit der Aussage zitiert wird: „Der Verein Naturfreundejugend erhält über das Budget der Offenen Jugendarbeit in Bremen finanzielle Zuwendungen aus Steuergeldern. Diese für den Aufbau linksextremer Strukturen zu verwenden, ist ein Skandal.“ Zudem stellte die CDU-Fraktion eine Anfrage an den Senat, in welcher sie der Naturfreundejugend unterstellt, ihre pädagogische Arbeit sei „offensichtlich maßgeblich durch linksextreme Ideologie geprägt“.

Anlass ist ein Transparent, welches an der Fassade des Jugendhauses hängt, auf welchem auf die Situation einer in Untersuchungshaft sitzenden Antifaschistin und auf die Möglichkeit zur solidarischen Rechtshilfeunterstützung über ein Spendenkonto der Roten Hilfe hingewiesen wird. Solidarität, die Gültigkeit der Unschuldsvermutung und die Ermöglichung von Rechtshilfebeistand sind demokratische Grundsätze, die wir wichtig finden und es daher als absolut unproblematisch bewerten, auch öffentlich darauf hinzuweisen.

Diese Ansicht kann man teilen, und man kann anderer Meinung sein. Auch die Meinungsfreiheit ist ein grundlegendes Prinzip von Demokratie. Daher verwundert es, wenn die CDU an dieser Stelle den autoritären Versuch von Disziplinierung unternimmt, dass sie aufgrund dieses Transparentes an der Jugendhausfassade dem Träger der Naturfreundejugend mittels einer Forderung nach Fördermittelentzug und der Infragestellung der Berechtigung zur Arbeit mit jungen Menschen die Existenzgrundlage zu entziehen versucht.

Die Jugendarbeit der Naturfreundejugend

Die Naturfreundejugend ist ein Jugendverband und seit langem anerkannter Träger der Jugendhilfe in Bremen. Als solcher erhalten wir Zuwendungen für Offene Kinder- und Jugendarbeit und für Jugendverbandsarbeit. Diese nutzt der Verband, um Aufgaben der Jugendarbeit in Form einer Unterstützung zu Selbstorganisation und gesellschaftlichem Engagement sowie zu politischer Bildung umzusetzen – und diese „eigenverantwortliche Tätigkeit der Jugendverbände und Jugendgruppen ist unter Wahrung ihres satzungsgemäßen Eigenlebens“ zu fördern, wie es der § 12 SGB VIII zur Jugendverbandsförderung formuliert. Ein ganz normaler Vorgang der Jugendförderung.

Das Jugendhaus Buchte der Naturfreundejugend ist ein Ort von Jugendarbeit und Jugendkultur: Hier gibt es ein Offenes Jugendcafé, Beratungsangebote, Seminare und Workshops, Jugendgruppenleiter_innen-Ausbildungen, Raum zur Selbstorganisation, entspanntes Rumhängen, Kultur- und Konzertveranstaltungen, Ferienfreizeiten, Gedenkstättenfahrten, Jugendbildungsreisen. Die Naturfreundejugend Bremen ist ein Jugendverband, der sich in seinen Grundsätzen auf Antifaschismus, Kapitalismuskritik und Gleichberechtigung stützt. Unser Verständnis von Jugendbildungsarbeit ist es, Menschen in die Lage zu versetzen, sich von gegebenen Herrschaftsverhältnissen zu emanzipieren und sie kritik-, urteils- und entscheidungsfähig zu machen.

Das Problem mit dem Linksextremismus-Vorwurf

An dieser Stelle mit einem Linksextremismus-Vorwurf zu agieren und damit ein auch politikwissenschaftlich hinreichend kritisiertes Extremismus-Konzept zu bedienen, bedeutet - und das ist aus der Mitteilung der CDU in Form der Infragestellung unserer öffentlichen Förderung und des Ideologisierungsvorwurfes deutlich geworden - dass der Linksextremismus-Vorwurf genutzt wird, um ein politisch unliebsames Gegenüber zu diskreditieren und zu delegitimieren.

Der als „linksextrem“ kategorisierten Position wird dabei das Recht abgesprochen, als berechtigte Äußerung im gesellschaftlichen Miteinander wahrgenommen zu werden. Und der Akteur, dem diese Position zugeschrieben wird, wird marginalisiert, kriminalisiert und in seiner Existenzberechtigung in Frage gestellt. Wenn das, wie in unserem Fall, einen Träger der Jugendarbeit betrifft, der sich explizit auf emanzipatorische Jugendarbeit bezieht, hat das nicht nur potentielle Konsequenzen für den konkreten Träger. Darüber hinaus wird so versucht, emanzipatorische Positionen an sich zu diskreditieren – weil sie durch den Extremismus-Vorwurf eben nicht mehr als legitime Positionen wahrgenommen werden würden.

Also…?

Emanzipatorische Jugendarbeit mit ihrer Unterstützung von Beteiligung und Selbstorganisation, der Thematisierung emanzipatorischer Gesellschaftsentwürfe und ihrer Kritik an Macht- und Ungleichheitsverhältnissen ist unerlässliches Bildungsfeld innerhalb einer demokratischen Gesellschaft.

Es ist beschämend, dass die CDU im Wahlkampfauftakt mit einer so extrem unangebrachten Polemik versucht, das Thema Linksextremismus zu platzieren – angesichts der Erkenntnisse zu rassistischen Praktiken bei der BreBau, rechten Chatgruppen in der Bremer Feuerwehr, Pulverbriefen an Bremer Parteien und zivilgesellschaftliche Organisationen, antisemitischen Querdenken-Mobilisierungen mit extrem rechten Querfronten, auf Schaufenster gesprühten Hakenkreuzen im Bremer Viertel, dem noch immer unaufgeklärten Brandanschlag auf das Jugendzentrum Die Friese, einem halben Dutzend rechter Brandanschläge auf Restaurants und Geschäfte im nahen Bremer Umland und dem nach wie vor bundesweit hohen Mobilisierungspotential von völkisch-nationalistischen Parteien können wir nur wiederholen:

Wir haben Besseres zu tun. Ihr hättet besseres zu tun!

Hinweis schließen

Cookies helfen der Naturfreundejugend Deutschlands, die Webseite für Dich besser zu gestalten. Wenn Du diese Webseite weiterhin besuchst, stimmst Du der Verwendung von Cookies zu.
Weitere Infos findest Du in der Datenschutzerklärung.